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Stadtführung Baden 2016

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Zuerst Baden, jetzt Chur und dann?

Schon häufig sind Rollstuhlfahrer vor Restaurants oder Museen gestanden nur um festzustellen, dass diese nicht oder nur in beschränktem Mass behindertengerecht zugänglich waren. Nathalie Christinger tritt an, um dies zu ändern.

Die 20jährige Nathalie Christinger aus Hausen bei Brugg hat den Wunsch, sich auf dem Studienweg im Tourismusbereich ausbilden zu lassen. Deshalb war ihr von Anfang an klar, dass sie ihre Maturarbeit zu diesem Themengebiet verfassen will. Bei Recherchen hat sie realisiert, dass die Stadt Baden keinen Stadtführer für Menschen mit Behinderung anbietet.

Dies änderte die Gymnasiastin anschliessend mittels ihrer Maturarbeit. Entstanden ist ein bunter 32 seitiger Stadtführer, welcher mit historischen Fakten und schöner Bebilderung aufwartet. Die Bauwerke der Stadt Baden, die Museen und die wichtigsten Gastrobetriebe werden vorgestellt. Zu& jedem Objekt werden kurz die für Menschen mit Behinderungen wichtigen Fakten und der Zugang für Rollstuhlfahrende erklärt.

Der Stadtführer von Nathalie Christinger basiert auf historischen Fakten, die Behindertenthematik steht eher im Hintergrund. Dies hat mich als Direktbetroffenen anfänglich etwas befremdet, könnte aber im Sinne des Inklusionsgedankens genau der richtige Ansatz sein. Warum kann in einem Reiseführer für Behinderte nicht auch der geschichtliche Hintergrund im Zentrum stehen und die Beschreibung der Zugänglichkeit mit dem Rollstuhl auf das Wesentliche beschränkt werden?

Für die junge Aargauerin ist der Bezug zum Thema «Behinderung» in ihrer Kindheit entstanden: ihr Onkel war auf den Rollstuhl angewiesen. Im Zuge der Recherchen hat sie nun wieder mit Betroffenen Kontakt aufgenommen. So kann sich Nathalie Christinger vorstellen, künftig Rollstuhlfahrende zu assistieren, zum Beispiel als Begleitperson in Gruppenauslandsferien, die die Vereinigung Cerebral Schweiz jährlich anbietet.

Ihre Maturarbeit, der Stadtführer von Baden und Umgebung, liegt aus finanziellen Gründen nur in einem handgefertigten Exemplar vor. Christinger möchte den Interessierten jeweils die PDF-Version zur Verfügung stellen. Anfragen werden von der Vereinigung Cerebral Schweiz an Nathalie Christinger weitergeleitet. Mit der Stadt Baden laufen derzeit Gespräche, eine spezifische Stadtführung für Leute mit einer Gehbehinderung anzubieten, gemeinsam mit der Autorin und basierend auf ihren Erkenntnissen.

Nächste Station Chur

Mit ihrer Vision eines Stadtführers für Menschen mit Behinderungen hat sie in der Stadt Chur offene Türen eingerannt. «Ich werde mit den örtlichen Verantwortlichen einen Stadtführer von Chur realisieren und würde mir wünschen, dass er dann in beachtlicher Auflage gedruckt und durch Chur Tourismus vertrieben wird», erklärt Christinger. Schon viele ähnliche Projekte wurden in der Vergangenheit gestartet, nur um wenige Jahre später wieder für beendet erklärt zu werden. Nathalie Christinger hat meines Erachtens die Energie und den Enthusiasmus, mit ihren Stadtführern etwas aufzubauen. Dies wurde von ihrer Lehrerschaft auch dementsprechend honoriert. Dank ihrer intensiven Arbeit und der fünfmonatigen Vorbereitungszeit, erhielt sie für den Vortragsteil des Projekts eine glatte Sechs. Wenn sie bei der Realisierung der geplanten Ausgabe für das Bündnerland ihre Vorgehensweise anpasst, d. h. physisch mit einem Rollstuhl vor Ort zu rekognoszieren anstatt «nur» als Fussgängerin, dann scheint mir ihr Vorhaben auf gutem Weg zu sein.

Entdeckt sie einmal als Fachfrau in der Reisebranche die Welt, wird sie in jedem Winkel der Erde auf die Anliegen von Rollstuhlfahrenden sensibilisiert bleiben und den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Michael Küng

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